Wie wäre es, wenn Sie Ihre Gefühle einfach ausschalten könnten?
Wäre das wünschenswert?
Manchmal schon, so stimmen innerlich sicher alle spontan zu. Gefühle jagen uns häufig ziemliche Angst ein. Wir fürchten ihre Heftigkeit und eventuell damit verbundenen Schmerz. Wir fürchten, das Leid nicht aushalten zu können, und fänden es daher schon ganz gut, in solchen Momenten einen Schalter umlegen zu können. Einfach ausknipsen! Leonardo da Vinci wird wohl Recht haben:
“Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid.”
Oder doch nicht?
Anderenorts schrieb Johann W. von Goethe: “Welch eine himmlische Empfindung ist es, seinem Herzen zu folgen.” Auf keinen Fall möchten wir es missen, ein glückliches Herz zu spüren und diesem Gefühl zu folgen. Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch, Liebe, Glücklich sein… all die verschiedenen Facetten. Am liebsten wäre einem hier, es würde für immer andauern. Die Idee, es gäbe einen Schalter der uns erlaubte, dieses Gefühl auf Wunsch einzuschalten, ist verlockend.
Doch die Wahrheit ist: Wir sind in einem Dilemma. Das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Wir müssen lernen, mit unseren Gefühlen zu leben und sie zu regulieren. Bei näherer Betrachtung des möglichen Schalters wird klar, dass man nicht nur auf Leid, sondern auch auf die „himmlischen Gefühle“ verzichten müsste.
Wobei sind uns Gefühle denn eigentlich im Weg?
Gefühl verhindert oder blockiert den Verstand – Gefühl zeigen bedeutet: schwach werden und sich anderen ausliefern – gefühlsmäßig handeln steht im Gegensatz zu kontrolliert handeln. Diese Liste wäre beliebig fortführbar, aber stets in Form von „schwarz-weiß Konzepten“.
Wie viel Verstand kann ich also gezielt einsetzen und wie viel Gefühl erlaube ich mir dabei?
Vielleicht sollte der Schalter mehr ein Dimmer sein. Ein Regler, der einem die Möglichkeit gibt und die Wahl lässt, zwischen Verstand und Gefühl zu regulieren. Ein- oder ausschalten geht nicht, doch zwischen den Extremen das rechte Maß finden, den Regler wahlweise dorthin schieben, das geht.
Aristoteles spricht vom Weg des richtigen Maßes. Buddha nennt es den Weg der Mitte. Wir können es als eine Empfehlung verstehen, vom „Schwarz-Weiß-Denken“ loszulassen, die Extreme nicht als gut oder schlecht zu betrachten, sondern in jeder Situation die angemessene und uns mögliche Mitte zu finden.
Aber den Weg der Mitte zu gehen, erfordert Selbst-Management, Selbst-Disziplin oder anders gesagt Selbst-Regulierung.
Die Regeln, nach denen wir uns richten, haben eine Grundlage. Sie beruhen auf einem Maßstab, den wir selbst finden und festlegen müssen. Eine Mischung von Wissen, Glauben und Lernen führt zu Überzeugungen, die die Basis unseres Handlungs- und Lebens-konzeptes sind. Das ist eine innere Richtschnur, an der wir uns entlanghangeln – auch und gerade in Bezug auf den Umgang mit Gefühlen. Auf dieser Grundlage werden wir unseren inneren Regler zwischen kein, bzw. zu viel Gefühl bewusst betätigen, wenn es darauf ankommt.
Gefühle zulassen heißt, sich berühren lassen: Von Schönheit oder vom Gegenteil. Von Schicksalen und damit verbundener Menschlichkeit. Von Geschichten, von Bildern, von Texten. Und von dem, was uns täglich begegnet und passiert. Es heißt auch, die Menschen hinter der äußerlichen Erscheinung zu sehen, Masken annehmend zu erkennen, Mitgefühl zuzulassen und uns zu verbinden.
Unsere moderne Welt und unser Alltag sind häufig kalt und abgestumpft. Gerade deshalb sollten wir uns selbst erlauben, Mitgefühl zu spüren, uns darin selbst zu spüren und uns von dieser Mischung leiten zu lassen.
Lernen Sie Ihre persönliche Richtschnur Ihres Handlungskonzeptes näher kennen und lassen sich vom Phänomen der Systemaufstellungen berühren.