Menschliche Intuition oder „Was sind eigentlich Spiegelneurone?“
Was die so genannten Spiegelneurone sind, wurde durch Joachim Bauer, Freiburger Professor für Psychoneuroimmunologie, in seinem Buch „Warum ich fühle, was du fühlst“ (Heyne Verlag, 2005) auf einfache und gut nachvollziehbare Weise erklärt und ebenso, welche unterschiedlichen Funktionen ihnen in der menschlichen Entwicklung zukommen.
Die Existenz von Spiegelneuronen wurde 2002 durch ein Forscherteam an der Universität Parma nachgewiesen. Die Gehirnforscher fanden heraus, dass in einem Affenhirn bestimmte Nerven, welche ganz spezielle Bewegungen des Tieres steuern (z.B. mit der Hand nach einer Erdnuss greifen), auch dann feuerten, wenn dieser Affe einen anderen Affen dabei beobachtet, sobald dieser z.B. nach einer Erdnuss greift. D.h. es findet eine neuronale Aktivität in genau dem Gehirnareal statt, das für die Steuerung dieser speziellen Bewegung zuständig ist, ohne dass der Affe die Bewegung selbst macht. Er simuliert sie gleichsam im Geiste, während er ein anderes Tier dabei beobachtet.
Haben Sie schon einmal überlegt, warum Eltern ihren eigenen Mund öffnen, wenn sie ihr Kind füttern?
Nicht nur das visuelle Beobachten, auch das Hören und schließlich auch das Sprechen über eine bestimmte Handlung, löst das Resonanzphänomen aus: die speziellen Nervenzellen im Gehirn feuern und zeigen damit, dass sie sich angesprochen fühlen. Über die Spiegelneurone stehen wir also in einem fortwährenden Kontakt mit dem, was um uns herum geschieht. Die Spiegelung der Aktivität anderer in uns geschieht simultan, unwillkürlich und ohne jegliches Nachdenken.
Spiegelneurone sind offenbar auch am Werk, wenn wir die Gefühle anderer in uns empfinden. Jeder kennt das Phänomen, von der Angst eines anderen angesteckt zu werden, das Gesicht zu verziehen, wenn unser Gegenüber in eine Zitrone beißt, sich zu schämen, wenn der andere sich schämt, zu lachen, wenn der andere lacht und selbst Schmerz zu empfinden, wenn wir einen anderen leiden sehen. Mit den anderen mitzurennen, mitzulachen, in einen kollektiven Fußballtaumel zu verfallen, ist oft leichter, als sich gegen solche Handlungsimpulse zu sträuben.
Ein weiteres Merkmal der Spiegelneurone ist es, einzelne Teile einer beobachteten Szene zu einer zu erwartenden Gesamtsequenz zu ergänzen. Spiegelneurone scheinen damit eine wesentliche Grundlage von Intuition zu sein. Intuitive Ahnungen können in einem Menschen entstehen, auch ohne das Bewusstsein zu erreichen. Man hat zum Beispiel nur ein ungutes Gefühl, weiß aber nicht, warum. Dies liegt unter anderem daran, dass es unbewusst registrierte Wahrnehmungen sein können, die in uns Spiegelneurone aktivieren.
Bauer weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass “Menschen in enger emotionaler Verbundenheit“ sich besonders gut gegenseitig spiegeln und intuitiv erfassen können, was den jeweils anderen bewegt. Je enger die Beziehung zu einem anderen Menschen ist, desto tiefgreifender wird auch die gegenseitige Spiegelung.
Spiegelneurone sind nicht nur dazu da, die Bewegungen anderer innerlich zu simulieren und sich mit diesen abzustimmen. Sie können auch die Körperempfindungen und Gefühle anderer in uns aktivieren. Dies führt zu einem unmittelbaren Verstehen der Empfindungen und Gefühle einer anderen Person. Wir ekeln uns selbst, wenn wir einen anderen Menschen sehen, der sich ekelt. Wir greifen nach unserer eigenen Hand, wenn wir sehen, dass ein
anderer sich mit dem Messer in den Finger schneidet.
Mitgefühl und Empathie erhalten durch die Entdeckung der Spiegelneurone eine naturwissenschaftliche Grundlage.
Das Phänomen der Spiegelung und die Erkenntnisse über die Funktion und Arbeitsweise der Spiegelneurone liefert meines Erachtens eine gute Möglichkeit, zu verstehen, warum die Stellvertreter in Aufstellungen in der Lage sind, insbesondere die Gefühlszustände der Klienten zuverlässig zu erfassen, gleichzeitig das eigene „Ich“ dabei nicht zu verlieren, zwischen den übernommenen Gefühlen und den eigenen unterscheiden zu können
und schließlich auch wieder in der Lage zu sein, die Stellvertreterrolle abzustreifen.
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